Mein Vater war in meiner Kindheit sehr oft dienstlich unterwegs, und das auch manchmal über mehrere Tage hinweg. Um sich die Zeit zu vertreiben, lud meine Mutter in solchen Tagen oft eine ihrer zahlreichen Schwestern zu sich ein, um gemeinsam mit ihnen einen Film zu gucken. Unsere Wohnung war klein und die Kinderzimmertür stand immer einen Spalt offen. So bekamen wir Kinder es mit, wenn wieder einmal ein Film im Fernsehen lief. Und wenn wir früh genug bettelten, bestand sogar die Chance, dass wir mitgucken durften.
Leider war die Filmauswahl meiner Mutter und meiner Tanten nicht immer als pädagogisch klug zu beurteilen. Dass ich mit sieben Jahren „Dirty Dancing“ gucken durfte, ist da noch harmlos. Warum der Film „dirty“ war, verstand ich als Grundschulkind ja auch noch gar nicht. Weniger harmlos war es, als meine Tante Hitchcocks „Die Vögel“ anschleppte (bis zu seinem Tod lag ich mit meinem Vater übrigens in einem freundschaftlichen Streit darüber, ob der Film ursprünglich schwarz-weiß oder farbig war. Ich schwöre, er war schwarz-weiß). Natürlich verstand ich auch bei „Die Vögel“ den eigentlichen Hintergrund noch gar nicht, aber ich war doch empfänglich für die bedrückenden Szenen – und wie klein muss man sein, um nicht zu verstehen, was es bedeutet, wenn ein Mensch von einem Vogel angegriffen wird? Besonders hat sich mir die Szene eingeprägt, in der ein Schwarm Vögel im zerstörten Dachstuhl des Hauses sitzt. Ich glaube, das war auch die letzte Szene. Interessanterweise hatte der Film zwei Auswirkungen auf mich: Zum Einen ging ich wochenlang nicht mehr aus dem Haus, ohne meine Umgebung genauestens zu beobachten. Und zum zweiten wurde meine Leidenschaft zum Horrorgenre geweckt, die sich in Form von Büchern und Filmen durch meine ganze Jugend zog.
Leider bekam ich als Kind noch einen ganz anderen Film zu sehen, den ich eigentlich bis heute nicht gesehen haben will, da er mich furchtbar deprimiert. Es handelt sich dabei um den Film „The Day After“. Als ich die ersten Szenen sah und wusste, dass es sich um einen Zeichentrickfilm handelt, gab es für mich natürlich kein Halten mehr. Damals lernte ich auf ziemlich schmerzvolle Art und Weise, dass Zeichentrickfilme nicht immer lustig sind. Wer den Film nicht kennt: Er spielt während des kalten Krieges, während dem die Menschen immer in der Angst lebten, dass die Sowjetunion jederzeit eine Atombombe zünden könnte. Und tatsächlich tritt dieser Fall ein (es könnte auch ein Atombombentest gewesen sein, das weiß ich nicht mehr genau). Wir verfolgen während des Films ein Ehepärchen, das sich auf diese Atombombe vorbereitet. Es kauft Lebensmittel und baut sich dann im Wohnzimmer aus Türen eine Art Bunker. Und tatsächlich überleben die beiden die Bombe, während die Welt um sie herum vollkommen zerstört ist. Dann kam der saure Regen und während den beiden die Haare ausfielen sprachen sie hoffnungsvoll davon, dass bald Frühling sein müsste. So deprimierend.
Ich weiß nicht, ob ich es dem politischen Engagement meiner Mutter oder diesem Film zu verdanken habe, dass auch meine politische Seele grün ist. Was nicht zwangsläufig heißt, auch grün zu wählen, denn leider ist die Politik ja immer eine Wahl zwischen Pest und Cholera gewesen. Dennoch hat sich schon in meiner frühesten Kindheit ein ausgeprägtes Bewusstsein für Umwelt- und Tierschutz entwickelt.