Es gibt keine Kindheitserinnerung, die mir lieber ist, als das Backen mit meiner Oma. Meine Großmutter hatte das Kochen und Backen noch von der Pike auf gelernt und hatte ein richtiges Händchen für so etwas. Das musste sie auch, denn als junges Mädchen hat sie ein ganzes Jahr 20 Kilometer entfernt von zu Hause auf einer Haushaltsschule gelernt – zu Zeiten von Fahrrädern und Pferdefuhrwerken eine echte Weltreise.
Am schönsten war die Weihnachtszeit, wenn meine Großmutter damit begann, Tonnen von Plätzchen für Weihnachten zu backen. Die füllte sie dann immer in große Einmachgläser und schenkte dann jedem ein Glas. Die leckersten Kekse waren aus ganz einfachem Mürbeteig gefertigt. Und da meine Oma an einem Tag mehrere Kisten voll davon buk, verzichtete sie auf das Ausstechen. Stattdessen wurde der ganze Teig in einen Fleischwolf gestopft, auf dessen Ausgang ein Keks-Aufsatz kam. So kamen die Kekse wie kleine Riegel mit Wellen oder sternförmig aus dem Fleischwolf. Meine Großmutter musste sie dann nur noch alle par Zentimeter abschneiden und auf dem Backblech verteilen. Natürlich durften auch wir Kinder ihr dabei helfen. Wir waren – neben so wichtigen Tätigkeiten wie Probieren des Teigs und der fertigen Plätzchen – dafür verantwortlich, das Gebäck mit Kuvertüre zu überziehen.
Noch heute erinnere ich mich sehr gut daran, wie immer das ganze Haus nach Plätzchen duftete (glücklicherweise wohnten wir ja direkt über Omas Wohnung). Genauso wie das Backen bei uns Tradition war, war übrigens auch die Plätzchenliebe meines Vaters legendär. Er roch schon beim Betreten des Hauses, das wir gebacken haben und ohne hinzugucken griff er gleich beim Betreten der Küche nach der Keksdose auf dem Küchenschrank. Er musste gar nicht schauen, ob die Kiste da steht und wo genau sie steht. Allein der Keksduft hatte ihm verraten, dass es was zu naschen gibt.
Wenn die Weihnachtskekse gebacken waren, machte meine Großmutter daran, die Grießklöße für die Weihnachtssuppe vorzubereiten. Auch davon fertigte sie jedes Jahr mehrere Kilogramm an, die sie dann bis zum Weihnachtsfest im Eisfach einfror. Ganze Wochenenden hat sie damit zugebracht, in der Küche zu sitzen und kleine Klöße zu rollen. Ich habe das selbst einmal versucht, und obwohl die Klöße sehr lecker geschmeckt haben, war es doch eine einzige Schweinerei. Ich kann meine Oma heute leider nicht mehr fragen, wie sie es geschafft hat, dass der Teig nicht an allem klebt. Meine Küche, der Tisch, der Boden und sich selbst – alles klebte danach.
Neben den Keksen und den Klößen hatte meine Großmutter noch eine weitere Backtradition: Neujahrströter. Das ist eine Sitte in Westfalen, wo an Silvester mit einem ganz speziellen Waffeleisen hauchdünne Waffeln gebacken wurden. Eigentlich rollte man sie zu einer Tüte zusammen, aber da das ziemliche Fummelei war, hat meine Oma immer einfach nur Röhrchen draus gemacht. Warum auch nicht, sie schmeckten ja genauso gut. Neujahrströter sind so dünn, dass sie beim ersten Reinbeißen richtig zerbröseln. Ich als Kind hab sie immer am liebsten frisch aus dem Waffeleisen gegessen, wenn der Teig warm, weich und noch formbar war. Hmmm!
Und wenn wir gerade kein Weihnachten und kein Neujahr hatten, war meine Großmutter noch eine fantastische Pfannkuchenbäckerin. Ihr Geheimnis: Sie tat immer noch einen Schuss Mineralwasser in den Teig, damit er besser aufging. Als sie selber noch ein junges Mädchen war, musste sie immer für die ganze große Familie Pfannkuchen backen. Das wurden dann richtige Stapel, von denen ihre kleineren Geschwister immer reichlich gemopst haben.