Die Geschichte einer Präsenz

Bevor es mich gab, waren da nur meine Eltern und zwei – damals noch ziemlich kleine Geschwister. Es war ein Montag, als ich in die Welt gesetzt wurde. Wir schreiben das Jahr 1981 und in den Medien diskutierte man gerade darüber, ob es moralisch vertretbar sei, die inhaftierten Mitglieder der RAF zwangsweise zu ernähren. Der deutsche Herbst war gerade erst überwunden und nach ursprünglichen Sympathien, die viele Menschen anfänglich noch mit der RAF hegten, mussten auch meine Eltern nun einsehen, dass man mittlerweile einfach zu weit gegangen war.

Doch diese Gedanken traten in den Hintergrund, als ich auf der Welt ankam: Stolze 56 Groß und 3.700 Gramm schwer, mit dichtem, schwarzen Haar auf dem Kopf. Es sollte später blond werden und sich verdünnen, aber für den Augenblick sah ich ziemlich niedlich aus. Wie es in den 80er Jahren noch üblich war, steckte man mich erst einmal in einen Strampler aus Polyester und legte mich auf den Bauch. Das erste Foto schoß natürlich der stolze Papa – mit Schnurrbart, wie man ihn damals so trug -, während meine Mutter schon das vierte Kind plante.

Als ich einige Tage später mit einem gelben Plastikbändchen um den Arm das Krankenhaus verlassen durfte, ging es geradewegs in das Haus meiner Oma. Dort hatte meine Eltern sich eine Wohnung renoviert und es wohnte sich dort, auf dem Land, viel schöner. Ursprünglich hatte meine Familie mitten in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet gewohnt, jetzt ging es in eine ländlichere Gegend. Das war schön für mich, denn die nächsten Jahre konnte ich damit zubringen, mich in Pfützen mit Dreck einzusauen und abends schon im Flur nackt ausgezogen und in die Badewanne getragen zu werden. Meine Mutter hatte schon bei ihrem ersten Kind gelernt, dass man den Dreck am besten keinen Schritt weiter ins Haus lässt, als in den Flur. Abendessen, Sesamstraße und Sendung mit der Maus, und dann ging es ab ins Bett. Hier hörte ich mir mit meinen Geschwistern noch eine He-Man Kasette oder Hui Buh an (als jüngstes Mädchen musste ich hören, was die älteren hören wollten), dann wurde geschlafen. Die ersten vier Jahre änderte sich an diesem Tagesablauf nicht allzu viel.

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